Zuviel Hoch auf den Azoren

Zuviel Hoch auf den Azoren

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Bevor wir auf diesem außerordentlich reizvollen Azoreninselchen zwangseingebürgert werden, wogegen an sich nichts einzuwenden wäre, wollen wir doch endlich gen Bretagne aufbrechen. Mehrfach hatten wir täglich unsere Wetterweisen befragt, und seit einer Woche sah unser Wetterfenster gut aus. Doch 1 Tag vor Aufbruch: die Inselgötter im Bunde mit den atlantischen Windgeistern sabotieren unser Vorhaben, kurbeln das Azorenhoch auf Hochtouren. Damit würde der Wind wenigstens für unsere ersten 3 Segeltage Richtung Nordost seinen Geist aufgeben und wir müssten die Maschinerie bemühen. Also verschieben wir. Alles war bestens vorbereitet für die ca. 12 Tage ohne nahen Dorfkonsum. Obst und Gemüse gebunkert, zig Liter Wasser und Säfte in der mittlerweile lauwarmen Bilge gestaut, ein Pfund Sonnenblumenkerne zum herumknuspern und für den Frischkäse geröstet, Brote und Kuchen gebacken und fette Suppen vorgekocht. Gleichwohl, wir fügen uns mit erprobter seemännischer Gelassenheit, aalen uns in der Sonne, drehen zum Erfrischen ein paar Runden im glasklaren Hafenwasser, schrubben nochmal den Pelz vom Propeller und versuchen den herrlichen Hochdruck-Tagen die Zeit für den letzten Azorenbeitrag „Sao Jorge“ abzutrotzen:

Nun denn.

Mittlerweile ist trotz gewisser sprachlicher Einschränkungen eine schöne deutsch-bretonische Freundschaft mit Chantal und André entstanden. Für die erfreuliche Feststellung, dass wir im Geiste und Herzen dieselbe Sprache sprechen bedurfte es nicht derselben Muttersprache.

Da es bei den vorherigen Gemeinschaftstouren so vergnüglich und unterhaltsam und nicht zuletzt preiswerter zuging, buchten wir mit den lieben Bretonen zusammen den Inselrundmietwagen. Sao Jorge ist mangels erforderlicher Infrastruktur wenig touristisch, dem angemessen äußerst entspannt und noch unprätentiöser als die Schwesterinseln. Lang und schmal (55 x 7 km) liegt sie wie ein schlummernder Drache inmitten der mittleren Azoreninselgruppe. Die Nordküste ist schroff, feucht und wild und steil abfallend. Fließende Lava und abgebrochene Kraterflanken der zwischen 500 und 900 m hohen vulkanischen Bergkette, die den vielbuckligen „Rücken des Drachens“ bildet, haben auf dieser Seite viele kleine flache Halbinselchen ins Meer getrieben, sogenannte Fajas, auf den die Menschen kleine Ansiedlungen errichteten und versuchten Landwirtschaft zu betreiben. Bis heute sind nicht alle Fajas an Energie und Wasser angeschlossen. Einige Wege dort hinunter sind nur „sehr gut zu Fuß“, bestenfalls mit dem Maulesel zu erreichen. Bei mindestens 500 m Höhenunterschied auf steilen holprigen Pfaden mag man nicht daran denken, womöglich eine Tüte Salz o.ä. vergessen zu haben. Aber atemberaubend schön liegen die typisch azoreanischen Lavasteinhäuschen unter den Steilhängen, deren üppige Vegetation die Bergflanken fast zum Bersten bringen, so scheint es. Die Südküste ist sanfter, ein wenig dichter besiedelt, und man blickt andächtig auf die mächtige Nordsilhouette der Pico-Insel. Die 9000 „heiligen Georgs-Insulaner“ leben ebenfalls von Rindviehwirtschaft, produzieren den besten azorischen Käse und Thunfischkonserven (aus nachhaltigen Fangmethoden und -quoten!), und bemühen sich um den sich sehr allmählich entwickelnden Tourismus.

Wie auf allen Azoreninseln jagt auch hier eine kirchliche Festa die andere und prägt die Wochenenden in den Ortschaften. Der ursprüngliche Anlass der aktuellen Heilige-Geist-Fete dehnt sich mit Musik und Gesängen, prozessionieren und essen und trinken – wie immer auffallend schaumgebremst – bis zur Mitternacht, dann legt der DJ auf und wechselt mit der 2Mann-Combo. Der brave Azore schwingt für 2 Stündchen lässig das Tanzbein. Dann trollen sich alle friedlich, fast alle. Anke und Uwe und der Fischer un sin Fru nämlich nicht. Die müssen weiter feiern bis zum Morgengrauen in des Fischers Wohnstübchen, auf das der kommende Tag ein verlorener ward.

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Nur mit Mühe stemmen wir uns kurz zur Verabschiedung unserer Bretonen, die um vor dem fakultativen Teil der Feier weise vorausschauend rechtzeitig das Weite gesucht hatten, aus der Luke. Die beiden zieht es nach nunmehr 9 Monaten heimwärts. Die Mahd der Hauswiese und die Großelternpflichten in den französischen Ferien rufen. Wir werden ihnen folgen. Unser Landfall an Ihrem Heimat-Golf du Morbihan in der Südbretagne war schon längst beschlossene Sache.

Und nun kommt Dirk. Mit zwei durchgeknallten Hunden. Wir setzen an dieser Stelle einen Kontakt fort, den Atze und Ute 3 Jahre zuvor in einem portugiesischen Hafen nebeneinander liegend eröffnet haben. Unterdessen steht ihr Boot hier an Land und Dirk und Ulrike (momentan auf Deutschlandreise) verpflanzten ihre Zelte nach São Jorge, errichten derzeit zwei schnuckelige azorische Häuschen auf einem einmalig schönen Grundstück an der Südküste. Die erste chemische Analyse erübrigt unnötiges Fremdeln. Wir werden in den folgenden knapp 3 Wochen viele wundervolle Stunden miteinander verbringen. Dirk wird nicht müde uns stolz die interessantesten Ecken und verborgensten Schönheiten seines Inselchens zu zeigen. Und wenn wir vom Grillplatz seiner Ranch auf den prächtigen Pico-Gipfel herüber schauen, Wale und Delfine durch den Kanal ziehen sehen, durch den alten, herrlich verwilderten Garten mit Mango und Avocados, Ananas und Paprika, Bananen und Pfirsichen zwischen den überwucherten Lavasteinmauern streifen, die Dünung in den Lavagrotten und im felsigen Naturpool unten am Ufer pfeifen und röhren hören, fällt es uns nicht schwer zu verstehen, dass man hier auf immer verweilen möchte.

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Dirk und Uwe mit Chica und Otto

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Und da ihr umfangreicher Fuhrpark auch über ein ausgewachsenes Angelboot mit 80 PS am Heck verfügt und uns neben Dirks Angelsachkunde Petrijüngers Anfängerglück hold ist, ziehen wir an einem dieser sonnigen Azorentage 12 Fische aus dem Wasser.  Vor den 3 köstlichen Mahlzeiten liegen natürlich noch die Lektionen „Jenseitigen“, Kehlen, Ausnehmen (mit den bloßen Fingern). Wat mot, dat mot. Frischer Fisch vom Grill und aus der Pfanne sind unübertroffen. Und wenn der Abend länger wird, knattern wir mit dem schicken Buggy aus erwähntem Fuhrpark des nächtens zurück zur Marina. Es war eine großartige Zeit mit den Vieren hier, also auch mit den verrückten Border Collies Chica und Otto, die niemals auch nur eine Sekunde Ruhe oder gar Langeweile haben aufkommen lassen. Danke herzlich für alles, Ihr Beiden. Wir sehen uns wieder.

José, der beste Hafenmeister von allen, kündigt uns aufgrund Platzmangels einen Päckchenlieger an. Okay, gern, kein Problem. Und wer schiebt da seinen sperrigen Aluminiumrüssel um den Molenkopf? Unsere australischen Freunde aus Horta. Die Freude übers Wiedersehen mündet am selben Abend noch in großes Bord-BBQ. Wir sind immer wieder überrascht, was die verschiedenen Bordapotheken, auch die unserer Antipoden, so an liquiden Leckereien mit sich führen. Die Woche mit Guy und Allison beschert uns ausgiebig Zeit zum Fachsimpeln und Seemannsgarn spinnen. Gemeinsame Mahlzeiten und Unternehmungen sind gewissermaßen naheliegend. Eine ausgedehnte Wanderung an der Nordseite führt uns aus wolkigen 900 m Höhe durch dschungelartige Abstiege zu einer idyllischen Faja, in deren kleinem schattigen Café jedes Getränk einen ganzen Euro kostet. Auch beim volksfestigen „Stierkampf“, der in abgesteckten Abschnitten der Dorfstraßen stattfindet, machen sich die Gastronomen das Rechnen leicht. Flüssiges je ein Euro, feste Nahrung zwei. Die kontrollierten Azoreaner, oder die portugischen Arbeitsschutzvorschriften stülpen dem Stier Messingkugeln über die Hörner. Außerdem wird der leicht erregte Bulle von 4 kräftigen Bremsern in weißen Hemden und Panamahüten mittels langem Seil in entsprechendem Sicherheitsabstand abgebremst. Die Torreros, die mit lustigen Sonnenschirmen versuchen den Zorn des Bullen zu steigern, haben somit gute Überlebenschancen. Jedoch die Pforten und Einfriedungen entlang der „Kampfroute“ werden dann doch schon mal zerspant. Wie bei allen Veranstaltungen geht’s hier auch bei der Corrida entspannt und gelassen zu.

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Die Australier ziehen dann weiter nach Terceira, was wir für dieses Mal auslassen. Das von mir so bewunderte „Kraken“-Boot hat ein krackendes Geräusch im Kiel und soll dort zwecks Untersuchung geliftet werden. Gute Besserung!

Was für eine herrliche Zeit. São Jorge ist uns sehr aus Herz gewachsen. Ja, wir wissen, Scheiden tut weh. Dieses Gefühl haben wir schon oft erfahren in den letzten Monaten. Aber wir sind ja noch jung. Next Time…

Am Dienstag werfen wir – schweren Herzens – wirklich die Leinen los. Ab nun geht’s heimwärts.

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Galerie Sao Jorge 1:

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Galerie Velas:

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Galerie Corrida:

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Galerie Angelausflug:

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Galerie Sao Jorge 2:

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