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Voxbotn und Concerto Grotto

Von Island aus sind nun wiederum die letzten 5 Tage unseres ereignisreichen Färöer-Aufenthaltes nachzubereiten, zumal die Zeit dort täglich Aufzeichnungen für die Erinnerung erfordert hätte. Aber wat mot, dat mot.

Das samstägliche – bereits kürzlich erwähnte – „Voxbotn-Festival“ strapazierte auf Grund unglaublicher Lautstärke und Bässe über viele Stunden nicht nur unsere Nerven. Auch befürchteten wir, dass FreiKerl auf die Vibrationen im Schiff mit gelockerten Schraubverbindungen, unterbrochenen Kontakten und erstorbenen Lötstellen reagiert. Das gemischte Musikprogramm (etwa jede Stunde wechselten die Bands und DJs, von Pop über HipHop bis Heavy Metal) ließ uns also stündlich hoffen, dass für Mensch und Material Entspannung eintritt. Die DJs hatten offenbar deutlich mehr Zugriff auf den Bassregler, die Bands dagegen spielten etwas magenschonender auf. In Erwartung des Hauptacts, einer uns natürlich unbekannten dänischen Band, trauten wir uns gegen ein Uhr morgens dann tatsächlich das Schiff zu verlassen und uns unters Volk vor der Hauptbühne zu mischen. Hinsichtlich der Einnahme stimulierender und enthemmender Getränke hatten die „Färinger“ unterdessen einen beachtlichen Vorsprung auf uns ausgebaut. Und das, obwohl niemand in dem wabernden Gedränge seinen Becher auch nur annähernd halb voll bis an seinen angepeilten Standort zu bugsieren in der Lage war. Der gesamte Platz roch nach einer kapitalen Leckage der lokalen Brauerei und der Bierfilm auf der Plaza stellte die Standfestigkeit aller auf eine zusätzlich harte Probe. Allerdings bin ich mir sicher, dass sie (knapp 10% der färöischen Bevölkerung, also 4000 Leute jeden Alters) auch völlig trocken den gleichen Sangeselan und erstaunliche Textsicherheit (ohne die perfekte Artikulation beurteilen zu können) unter Beweis gestellt hätten. Nach 3 Uhr morgens endete das 2. wichtigste Event, nach dem Nationalfeiertag, völlig unaufgeregt, alle trollten sich selig und friedlich. Und wir hatten ein paar Freunde hinzugewonnen …

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Am Sonntag passierte nichts. Die Färinger und wir erholten uns, verdientermaßen. Ein bissel klar Schiff und „klar Blog“, verbunden mit dem Vorhaben zeitig zu Bett zu gehen. Das hat nicht geklappt. Franks „Fjordigili“ lud zum Verweilen ein. Um 3 Uhr nachts brachen wir ab mit der schlichten Feststellung, dass auch dieser Abend nicht lang genug ist die Welt zu verbessern, versprachen uns Fortsetzung morgen und schlingerten über die diesmal besonders schmalen und besonders schwankenden Fingerstege gen Heimat FreiKerl, ein Ausleger weiter.

Montag: nach dem Ausschlafen: Wäsche, FreiKerlpflege, Islandvorbereitungen, Studium der Strömungs- und Tidenkarten der Färöer (hier tatsächlich wichtig!!!, an jedem Ende der 18 Inseln strömt es zu jeder Zeit in verschiedene Richtungen, kreuz und quer, miteinander und gegeneinander, bis 9 kn!!! und mehr),  und letzte Einkäufe.

Anke verweigert am Abend die Fortsetzung des weltverbessernden Gedankenaustausches auf Franks Boot (Montagabend war ehedem ihr freier Abend). Ich halte Wort, was jedoch nicht dazu führt, dass wir diesmal ein belastbares oder nennenswertes Fazit hätten finden können.

Für den Dienstag stand wiederum ein kulturelles Highlight auf dem Programm. Im Rahmen des Färöer Musiksommers fährt Birgers blauer Schoner „Nordlysid“ (www.nordlysid.com) mit ca. 50 Kulturinteressierten zu einer kathedralenartigen Grotte auf der Südseite der Nachbarinsel Hestur, in der ein kleines Konzert vorgetragen wird: concerto grotto! Wir wussten von des Skippers Not an helfenden Händen (und, dass die Veranstaltung 50€ Eintritt/Nase kostet), und so verdingten wir 4 uns erfolgreich als „deckshände“, für „Törn und Eintritt frei“.

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Das bereitete großes Vergnügen und bescherte uns ein spektakuläres Musikerlebnis. Nach 2 h Fahrt dicht an wild zerklüfteter Steilküstenlandschaft stellte Birger den Schoner in den Strom, und mit Schlauchbooten wurden die Besucher in die Grotte gefahren. Die beiden Musiker, mit Posaune und Keyboard (versorgt mittels Autobatterie), saßen bereits im Dunkel der Grotte auf einem erhöhten Felsvorsprung. Ihre Stirnlampen blickten wie Zyklopenaugen auf uns herunter. Die Höhle hatte vermutlich das Ausmaß des Kölner Domes. Die beiden jungen Musiker kannten die akustischen Bedingungen an diesem Ort offenbar gut und bauten den endlosen Hall und die mehrfachen Echos gekonnt in ihre zwischen Jazz und Klassik improvisierten Stücke ein. Das Rauschen der Wellen des leichten Schwells mischte sich wie eine sanfte Perkussion darunter. Gänsehaut, und nochmals Gänsehaut!!!

Nicht unterschlagen möchte ich, dass unser Freund Ecki, unerschrocken und mit lebenslanger Spreewaldkahnerfahrung, als Dinghifahrer eingeteilt war. Der Auftrag: Abholen der Musiker samt Equipment. Jedoch in seiner Aufregung fand er den Eingang zur richtigen Grotte nicht sogleich, irrte etwas suchend umher und wurde vom Skipper lauthals abgewatscht:“ you have to find the right hole! This is an order!“ Von der Ansage hat er sich bis zur Abreise nach D am kommenden Morgen nicht recht erholt.

Nach einer guten Stunde saßen 50 Leute, noch sprachlos, mit glänzenden Augen wieder auf Birgers Schlachtschiff und konnten sich noch gar nicht auf die Bilder der grandiosen Felsküste einlassen.

Aus unserem für den Abend geplanten Abschiedsessen mit Frank und Ecki wurde insofern nix, als das Restaurant unserer Wahl ausgebucht war und Birger nicht davon abzubringen war uns zu bekochen. Er zauberte ein feines „Quick-Food“ mit Fisch, Kartoffeln und Gemüse im Bauch seiner Schonerkombüse und „Schanghaite“ uns nebenbei erfolgreich für den Ausflug am kommenden Mittwochnachmittag. Also verschoben wir den Abreisetag nach Island auf Donnerstag. Ein Seemann – ein Wort. Mittwoch also verdingten sich Anke und ich als Deckshand und Dinghi-Crew für Birgers Tour mit 30 Leuten zur kleinen Insel Koltur. Dort gibt es ein großes Wikinger-Freiluftmuseum, ansonsten lebt da nur noch ein Bauer, und die meisten Färinger gaben zu, noch nie dort gewesen zu sein. Ich zog das Los, die Truppen mit Birgers betagtem Schlauchboot zum Fuß einer glitschigen Stahltreppe am alten Anleger zu bringen. Die Frage, ob ich das zum ersten Mal mache, war sicher nicht unberechtigt. Aber nach den ersten 2 Touren hatten das Gefährt und ich uns an einander gewöhnt, und die meisten Passagiere an meinen etwas eigenwilligen Fahrstil.

Allein das „may be“ der Färinger hatten wir ein wenig vergessen. Der Ausflug sollte um 18:00 beendet sein. Da wir jedoch erst 3 h später eintrafen, keine Lust hatten unausgeschlafen nach Island aufzubrechen, verschoben wir unsere Abfahrt um eine Gezeit auf den Nachmittag, um den Strom wieder mit uns zu bekommen. Diesmal blieben wir von Birgers werben und der Ankündigung, Island sei überfüllt, und die Strömung sei sowieso viel zu stark dagegen, unbeeindruckt.

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Der Färöer-Aufenthalt war rund. Abschiede schweren Herzens. Wir wollten nun wirklich los, freuten uns auf die Überfahrt und Island und neue Begegnungen.

Früh stand ein Topf mit Birgers Super-Fischsuppe, gewissermaßen als Abschiedsgeschenk und Wegzehrung, bei uns in der Plicht. Danke Birger.

Donnerstagnachmittag warfen wir die Leinen los, etwas Abschiedsgeheul mit Frank, Birger winkt von Weitem. Noch preiswert (unter 1€/l) nachtanken, tatsächlich den richtigen Strom abgepasst (danke Per, alter Schwede: etwas später zu starten war gut. Schade, dass wir nicht mehr Zeit miteinander hatten), und raus ging’s nach Westen. Noch 5 h durch Abschied nehmen durch die fantastische Inselwelt der Färöer, der Abendsonne entgegen, dann liegt nur noch der Nordatlantik vor Island.

Wie haben nun 2 Tage Zeit das Erlebte der letzten 2 Wochen etwas sacken zu lassen. Die Fäerör – Menschen und Inseln – haben uns sehr berührt. Wir sind uns einig, dass wir nochmals hierherreisen werden, auf diese kühlen, kargen baumlosen Inseln, mit ihrer unvergleichlichen rauen Schönheit, auf denen es außer Schafweideland und ein paar Quadratmeter Kartoffelacker nix gibt. Jeder Apfel, jede Tomate, werden importiert, jedes Brett und jeder Nagel. Hühnerschenkel und Rinderfilet werden aus Neuseeland herangeschippert. Fisch haben sie, derzeit wieder genug, um einen großen Teil des allgemeinen Lebensunterhaltes vom Export zu bestreiten. (Und ab und an den Wal, der sich in ihre Buchten verirrt. Die in den Kommentaren vorgebrachten Vergleiche halte ich jedoch nicht für haltbar. Eine Ausweitung der Diskussion würde den Rahmen dieses Blogs meiner Meinung nach jedoch sprengen. (Zu den puren Fakten siehe wikipedia-Grindaráp))

Von letzterem abgesehen: Danke Färöer Inseln und Färinger!

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