Dogger, Fisher, Utsira

Dogger, Fisher, Utsira

Kirkehamn – Tananger – Stavanger – Utsira

Was für ein Morgen! Sonnenaufgang über den Bergen, die See ist noch geglättet, Morgennebel ziehen sich an den Felsen hoch, der Motor grummelt sonor und wir gleiten wie schwebend gen Norden. Wieder einer der Momente, die unser frühes Aufstehen vielfach entschädigen.

Gegen Mittag stellt sich wie angekündigt unser Schiebewind ein und wir genießen 8 h segeln. Rott, den Schären vor Stavanger vorgelagertes flaches Inselchen, ist unser Ziel, bevor wir uns wieder ins Stadtgewimmel stürzen. Leider ist der einzige geeignete Platz in diesem Häfchen bereits besetzt, jedoch wirkt das dort liegende 10m-Boot nicht so, als würde es einer innigen Umarmung FreiKerls bei heftigen Nachtwinden unbeschadet standhalten. Also zuckeln wir noch 4 sm quer durch die Fahrrinne nach Tananger und machen um 10 pm fest. Uns erwarten ein netter Hafenmeister, ein ruhiger Liegeplatz, eine warme und saubere Dusche, wie fast immer in Skandinavien.

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Nunmehr haben wir das berühmtberüchtigte Skagerrak endgültig hinter uns gelassen und die in Rasmus investierten Bestechungsschlucke hochwertiger Spirituosen waren offenbar gut angelegt. Die bösen Winde und heftigen Wetterumschwünge haben uns glücklicherweise und womöglich dank gelungener Törnplanung verschont. Dank an Rasmus und Neptun und Klabautermann!

Es ist ein neblig verregneter Sonntag und wir trödeln einen Tag in Tananger herum, ich vertiefe mich ins Fachbuch zum Segelwetter (es wird höchste Zeit!) und Anke genießt das Nichtstun.

Montagvormittag brechen wir auf in die Ölhauptstadt Stavanger. Im Stavangerfjord kommt uns eine Ölplattform selbstfahrend entgegen; wir hätten locker zwischen den Stützen unter der eigentlichen Plattform hindurchfahren können. Das Südufer der Fjordeinfahrt ist fast durchgehend von Werften, in denen Spezialschiffe für die Offshore-Ölindustrie gebaut oder repariert werden, geprägt. Hier liegt das Zentrum für Norwegens Wohlstand. Wir laufen die größte Marina Stavangers an, für die im Revierführer u.a. damit geworben wurde, Yachten zu slippen und Winterlager zu betreiben. Schnell stellt sich heraus, dass der Kran nur 10 t haben darf, für uns also nicht in Frage kommt. An dieser Stelle sei erwähnt, dass wir uns eine Leine eingefahren hatten, die – begleitet von unerfreulichen Geräuschen unterm Boot – den Motor abwürgte. Nach einigem Hin und Her bekamen wir das Schiff zwar wieder flott, waren uns aber nicht ganz sicher, ob das Manöver schadfrei abgelaufen war, denn wir bildeten uns ein, der Antrieb klingt nun anders, macht unbekannte Geräusche bei Rückwärtsfahrt und in großen Wellenbewegungen. Und bevor wir auf die größeren Schläge gehen, wollten wir Sicherheit haben, dass alles in Ordnung ist oder noch repariert werden muss und benötigten demnach entsprechend schweres Gerät. Die freundliche Hafenmeisterin kündigte umgehend unser Kommen in einer geeigneten Batverkstat (Bootswerkstatt) gleich um die Ecke an. Vergeblich suchten wir den uns versprochenen 25 t-Kran. Allein Kjell kurvte flott auf dem Werftgelände mit einem Riesengabelstapler herum, mit dessen hydraulisch in alle Richtungen beweglichen Gabeln lässig Boote bis 25 t in Windeseile „gekrant“ werden konnten. Ein weiteres Erlebnis der erfreulichen Sorte: die Jungs sind unkompliziert, freundlich, fachmännisch. Kaum angelegt in einer unglaublich kleinen Box von 17 m Länge und ringsherum Boote, hing der FreiKerl an den Gabeln und die Experten begutachteten und vermaßen Propeller und Welle: 45 min später schwamm der Patient wieder, alles und alle wohlauf. Da die Gelegenheit so günstig war, gewannen wir noch Tuve zum checken des Riggs, der auch sofort mit Messzeug an Bord kam, und weitere 30 min später hatten wir auch darin Gewissheit, dass sich FreiKerl in bester Verfassung befindet, wenn auch manche Beschläge nach Tuves Meinung aus der Wikingerzeit stammen würden. Geld für diesen Check lehnte er vehement ab, weshalb wir ihm die kleine „Beleidigung“ FreiKerls durchgehen ließen. Über die Qualität des Ablegemanövers sind sich Anke und ich noch nicht einig. Anke meint, es wäre großartig gewesen, ich meine, wir hätten unglaublich viel Glück gehabt. Der stramme Wind vertreib uns aus der Minibox natürlich in die verkehrte Richtung, so dass wir einen geeigneten Wendehammer benötigten. Aber da war nix, also mit viel Drehzahl – FreiKerl hatte ja einen frischen Gesundheitspass ausgestellt bekommen – wenden auf dem Teller auf 15 m Radius, die glänzende Motoryacht verschont, das kleine Angelboot hat den Stupser gut weggesteckt. Kjell und Tuve haben nicht mal die Köpfe gewendet. Klar, wer nach Island will, muss solche Kleinigkeiten ohne Hilfe meistern.

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Der ganze Laden erinnerte uns sehr an Olaf Nehmzows Werft und wir fühlten uns sofort heimisch, und weil es uns dort so gut gefiel, blieben wir noch 2 Tage in der Werftmarina, kostenlos, Strom und Wasser inklusive.

Mittwoch verlegten wir dann in den kleinen Gjestehavn am Ölmuseum, mitten in der Stadt. Schließlich wollten wir noch etwas von der Stavanger sehen. Aber der erste Gang führte zu „Maritime Batutstyr“ (Bootsaustatter), wo wir „Toysareatzes“ als „Toysareankeunduwes“ übernehmen. Furchtbar diese Läden, man kann einfach alles gebrauchen. Davon abgesehen, hat Stavanger auch schöne Ecken, typische Holzhaussträßchen und -gassen, auch erfreuliche moderne Architektur, gut gemischt, viele einladende Kneipen, entspannte Menschen, alles funktioniert, der Wohlstand ist offensichtlich und spürbar. Graffiti traut sich der Norweger nur als streetart, großenteils sehr gut, und nicht als Schmiererei. An die Preise muss man sich gewöhnen, nach 6 € für eine einfache Stadtbusfahrt erschüttern uns 11 € für 0,4 l dünnes Bier in der „Karli-Kneipe“ auch nicht mehr.  Allerdings traut man sich danach kaum noch, die Toilette aufzusuchen.

Der Eindruck mag ja trügen, aber es fällt auf – wie auch in Dänemark – dass man die Integration von Migranten ganz gut hinbekommen hat. Erfreulich viele gemischte Paare sind unterwegs, uns begegnen alle Hautfarben, die doch alle „einheimisch“ wirken.

Ein Besuch im Ölmuseum ist obligatorisch. Wir finden: gelungene Architektur, gut gestaltet, exzellente Filmbeiträge und durchaus kritische Auseinandersetzung mit dem Thema und Hinterfragung: heiligt der Erfolg die Mittel, ist der Preis für den Wohlstand aus ökologischer Sicht gerechtfertigt? Den Rest des letzten Stavangertages füllen wir mit Basteleien getreu dem Slogan: es gibt immer was zu tun; Anke näht eine Tasche fürs Großfall, um die Manöverzeiten am Mast zu verkürzen.

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Freitag früh brechen wir nach Utsira auf. Der Name war uns bislang nur aus unheimlichen Nordsee-Wettermeldungen im Zusammenklang mit „Skagerrak, Forties, Dogger, Humber, Fisher u.a. ein Begriff für Tiefdruckangaben und „gale-warning“. Und nun bekommt der Name ein Gesicht. 35 sm entfernt erreichen wir nach sehr flottem Segeltag mit gereffter Genua die letzte norwegische Insel, die nur ca. 200 Einwohner beherbergt, als unser Sprungbrett zu den Shetlands. Die Einfahrt in den Südhafen entpuppt sich bei 6 – 7 bft doch noch etwas aufregend. Der Revierführer hatte uns die Felsen unmittelbar links und rechts der Fahrrinne, an denen sich beeindruckend die Wellen brachen, unterschlagen. Also, wie Anke sagt: die Zunge gerade in den Mund nehmen, die Pinne fest im Griff, Richtfeuer übereinander gebracht und rein in den schützenden Hafen.

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